Die Studie des DKKR zu Kinderkrebs um Kernkraftwerke (KiKK Studie)


Im Jahr 2002 wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Fall-Kontrollstudie zu Kinderkrebs um deutsche Kernkraftwerke (KiKK Studie) vergeben. Auftragnehmer war das Deutsche Kinderkrebsregister (DKKR), das der Universität Mainz angegliedert ist. 
Ende 2007 wurden die Ergebnisse der Studie in einem umfangreichen Abschlussbericht veröffentlicht, der von der Homepage des BfS heruntergeladen werden kann. Außerdem entstanden zwei Veröffentlichungen, die zeitgleich mit dem Bericht publiziert wurden (siehe unten). 

Zu den Ergebnissen der Studie und der Stellungnahme des externen Expertengremiums zur Studie hier die folgenden Links auf die Homepage des BfS: 

  Ergebnisse der KiKK Studie

  Bewertung durch das Expertengremium

  Der ganze Bericht kann hier heruntergeladen werden

 

Das folgende Polardiagramm (Abb.3.3 aus KiKK Teil 1) zeigt alle Fälle (rot) und Kontrollen (grün) in einem 50-km Umkreis der KKW.

 


Der Endbericht der KiKK Studie enthält eine Tabelle mit der Anzahl von Fällen und Kontrollen für alle Malignome bei Kleinkindern in 7 Abstandskategorien (Teil 1, Tab. 3.14). 

 

r F K
1-5 km 77 148
5-10 km 158 464
10-20 km 523 1589
20-30 km 403 1181
30-40 km 225 726
40-50 km 137 371
> 50 km 69 256
Summe 1592 4735

 

Der 5-km Nahbereich kann mit graphischen Verfahren genauer studiert werden. Mithilfe eines Graphikprogramms war es möglich, die Anzahl von Fällen (Abb. unten, schwarze Punkte) und Kontrollen (weiße Punkte) innerhalb des 3-km Entfernungsbereichs zu bestimmen. Die Anzahl von Fälle und Kontrollen im 3-5 km Entfernungsbereich ergeben sich dann aus der Differenz zu den veröffentlichten Zahlen für den 5-km Bereich. 

 

 

Abb.2: Fälle (schwarz) und Kontrollen (weiß) innerhalb des 3-km und 5-km Entfernungsbereichs. 
Die Abzählung ergibt im 3-km Bereich 21 Fälle und 49 Kontrollen 

 

Eine logistische Regression mit dem Modell

ln(F/K)=beta0+beta1/r

ergibt die folgenden Schätzwerte für die Parameter beta0 und beta1:

 
Parameter Schätzwert SE z-Wert p-Wert
beta0 -1,1581 0,0406 -28,534 <0,0001
beta1 1,0477 0,4309 2,431 0,0150

SE: Standardabweichung (standard error of estimate)
z-Wert: Schätzwert geteilt durch SE
p-Wert: signifikant wenn p < 0,05


Das Ergebnis für beta1 stimmt innerhalb der Fehlergrenzen überein mit dem Ergebnis in Tab. 3.15 der KiKK-Studie (1,18 +- 0,44; p=0,0034).

 

Eine bessere Anpassung an die Daten erlaubt eine Regression mit dem kategoriellen Modell

ln(F/K)=beta0+beta1*d5km,

wo d5km eine Dummy Variable für den 5-km Nahbereich ist (also d5km=1 für r<5km und d5km=0 für r>5km),
ergibt:

 
Parameter Schätzwert SE z-Wert p-Wert
beta0 -1,1078 0,0296 -37,39 <0,0001
beta1 0,4544 0,1436 3,164 0,0016


Das relative Risiko (RR) im 5 km Nahbereich errechnet sich zu
RR=exp(beta1)=exp(0,4544)=1,575.


Die folgende Abbildung zeigt die relativen Risiken (= odds ratios) in den Entfernungszonen und das Ergebnis der Regression mit dem kategoriellen Trendmodell.

Das relative Risiko ist nur im 3-5 km Bereich signifikant um 71% erhöht (RR=1,71; p=0,0015). Im 1-3 km Bereich beträgt die Erhöhung 30% und ist nicht signifikant (RR=1,30; p=0,321).

 

Leukämien

Die KiKK Studie Teil 1 enthält auch Ergebnisse der Auswertung von Leukämien. Die Zahlen für Fälle (F) und Kontrollen (K) enthält der KiKK-Bericht nicht, sie finden sich aber im Artikel von Kaatsch et al., zusammen mit den harmonischen Mittelwerten der Abstände (r) in den 6 Entfernungszonen (0-5, 5-10, 10-30, 30-50, 50-70, >70 km).

r F K
3,09 37 54
7,62 58 173
17,79 332 1048
37,45 135 387
56,98 27 92
73,59 4 12
Summe 593 1766

Im Folgenden werden Regressionen mit fünf verschiedenen Modellen durchgeführt:

Modell 1: ln(F/K) = beta0 + beta1/r
Modell 2: ln(F/K) = beta0 + beta1/r + beta2/r^2
Modell 3: ln(F/K) = beta0 + beta1/r^2
Modell 4: ln(F/K) = beta0 + beta1/r + beta2*d5km
Modell 5: ln(F/K) = beta0 + beta1*d5km

d5km: Dummy-Variable für den Nahbereich: d 5km=1 für r < 5 km, d5km=0 für r > 5 km

Ergebnisse:

Parameter

Schätzwert SE t-Wert p-Wert
Modell 1
beta0 -1,2393 0,0695 -17,839

0,0000

beta1 2,2113 0,7387 2,994 0,0201
Modell 2
beta0 -1,0600 0,1310 -8,092 0,0020
beta1 -2,1110 2,7950 -0,755 0,2525
beta2 13,061 8,1320 1,606 0,1033
Modell 3
beta0 -1,1511 0,0512 -22,469 0,0000
beta1 7,1316 2,1303 3,348 0,0143
Modell 4
beta0 -1,1210 0,1032 -10,858 0,0008
beta1 -0,0663 1,6631 -0,040 0,4853
beta2 0,7644 0,4980 1,535 0,1112
Modell 5
beta0 -1,1247 0,0488 -23,041 0,0000
beta1 0,7466 0,2189 3,410 0,0135
  • Beim linearen Modell ist der Regressionsparameter signifikant (p=0,0286)

  • Die Anpassung ist für das linear-quadratische Modell deutlich besser als für das lineare Modell (die Summe der Fehlerquadrate ist SSE=0,720 gegenüber SSE=3,315; p=0,107), der Schätzwert für den linearen Term ist negativ.

  • Das quadratische Modell fittet die Daten ebenfalls deutlich besser also das lineare Modell (SSE=1,293 gegenüber 3,315).

  • Das Modell 5 mit Dummy Variable für den 5-km Nahbereich liefert eine noch bessere Anpassung als das quadratische Modell (SSE=0,926 gegenüber 1,293). Das odds ratio im Nahbereich ist exp(0,7466)=2,11. Damit ist die Leukämierate im Nahbereich 111% höher als im Bereich r > 5 km.


Die folgende Abbildung zeigt das relative Risiko (odds ratio) in den 6 Entfernungszonen, und die Fitkurve mit dem kategoriellen Modell 5.


Auswertung der Daten des Teils 2 der KiKK Studie

Im Kapitel 3.5 des Teils 2 der KiKK Studie wird gesagt, "eine Bewertung der Confounder im Sinne einer Interpretationshilfe für Teil 1" sei dann nicht möglich, wenn der Regressionsparameter, der sich mit den Daten aus Teil 2 errechnet, außerhalb des 90% Konfidenzintervalls der Bezugsregression liegt. Als Bezugsregression definiert wurde die Regression der Fälle und Kontrollen aus Teil 1, aber nur für die Diagnosen aus Teil 2 (Leukämien, Lymphome, ZNS-Tumore). Nun umfasst Teil 1 den Zeitraum 1980 bis 2003, Teil 2 aber 1993 bis 2003. Man hätte für den Vergleich nur die Daten für 1993-2003 heranziehen dürfen, wenn man den möglichen Effekt der Selbstselektion untersuchen will.

Unabhängig davon soll nun geprüft werden, ob das von den KiKK Autoren gewählte "Abbruchkriterium" formal erfüllt war. Tabelle 3.5 enthält die Zahlen für Fälle und Kontrollen aus Teil 2 in sieben Entfernungskategorien:

r F K
3,1 14 19
7,6 36 75
15 115 222
25 83 181
35 56 111
45 31 45
60 25 43
Summe 360 696

Eine Regression der Daten mit dem Modell ln(F/K)=beta0+beta1/r liefert die folgenden Ergebnisse:

Parameter Schätzwert SE t-Wert p-Wert
beta0 -0,6992 0,0797 -8,773 0,0002
beta1 0,6374 0,9359 0,681 0,2631

Der Wert des Regressionsparameters liegt mit beta1=0,64 also noch innerhalb des 90% Konfidenzintervalls der Bezugsregression, das in Kapitel 3.5 mit 0,53 bis 2,43 angegeben ist. Damit wäre das Abbruchkriterium nicht erfüllt, während der im Kapitel 3.5 berichtete Wert von 0,37 außerhalb des Konfidenzintervalls liegt, was dazu führte, dass die Ergebnisse der Confounderanalyse nicht zur Interpretation des Ergebnisses von Teil 1 verwendet werden konnten.

Im Teil 2 Abb.3.2 sind die Anteile der Fälle und Kontrollen in 5 km Zonen abgebildet: 


Aus der Abb.3.2 kann man die Zahl der Fälle und Kontrollen bis auf Rundungsfehler recht genau ermitteln. Sie sind in der folgenden Tabelle aufgelistet.

r F K
3,1 15 16
7,6 35 76
12,5 64 101
17,5 50 125
22,5 46 104
27,5 37 69
32,5 31 57
37,5 25 52
42,5 23 31
47,5 8 16
52,5 10 16
57,5 3 13
62,5 2 9
67,5 5 5
72,5 5 5
77,5 1 1
Summe 360 696


Eine Regression der Daten mit dem Modell ln(F/K)=beta0+beta1/r liefert die folgenden Ergebnisse:

Parameter Schätzwert SE t-Wert p-Wert
beta0 -0,7451 0,0974 -7,649 0,0000
beta1 1,3577 1,1367 1,194 0,1262

Die Ergebnisse der beiden Regressionen unterscheiden sich beträchtlich, obwohl es sich doch um die gleichen Daten handelt. Die Überprüfung ergibt, dass es zwischen Tab.3.5 und Abb.3.2 bei den Kontrollen erhebliche Unterschiede (bis zu 8 Kontrollen) in der Aufteilung auf die Entfernungskategorien gibt, während die Unterschiede bei den Fällen jeweils nur maximal einen Fall betragen. Mit mangelnder Ablesegenauigkeit sind diese Abweichungen nicht zu erklären.

Der Regressionsparameter von 1,36 liegt ganz nahe bei dem Wert von 1,48, der im KiKK Bericht für die Bezugsregression genannt wird. Das Abbruchkriterium wäre mit diesen Daten keinesfalls erfüllt gewesen. Die Diskrepanz zwischen den Daten aus Tab.3.5 und Abb.3.2 muss aufgeklärt werden.


Literatur

Renate Schulze-Rath, Peter Kaatsch, Sven Schmiedel, Claudia Spix, Maria Blettner. Krebs bei Kindern in der Umgebung von Kernkraftwerken: Bericht zu einer laufenden epidemiologischen Studie.
Umweltmed Forsch Prax 11 ( 1) 20–26 (2006)

Spix C, Schmiedel S, Kaatsch P, Schulze-Rath R, Blettner M. Case-control study on childhood cancer in the vicinity of nuclear power plants in Germany 1980-2003. Eur J Cancer. 2008 Jan;44(2):275-84. Abstract
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Kaatsch P, Spix C, Schulze-Rath R, Schmiedel S, Blettner M. Leukaemia in young children living in the vicinity of German nuclear power plants. Int J Cancer. 2008 Feb 15;122(4):721-6. Abstract
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Links

Sebastian Pflugbeil:
"Wie ein Fels in der Brandung". Publik Forum Nr. 24 vom 21.12.2007