Reanalyse: Studie des BfS zu Kinderkrebs um bayerische kerntechnische Anlagen


Eine Studie (1) des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) vom November 1995 zu Krebsraten bei Kindern um bayerische kerntechnische Anlagen, 1983-1992, ergab keine auffälligen Ergebnisse. Die Krebsrate war im 15-km Umkreis der 5 Standorte Isar, Gundremmingen, Grafenrheinfeld, Garching und Kahl nicht signifikant erhöht.

In der BfS-Studie wird die Krebsinzidenz bei Kindern in den Gemeinden, die im 15-km Umkreis der kerntechnischen Anlagen liegen, mit der Krebsinzidenz in geeignet gewählten Vergleichsgebieten außerhalb der 15-km Region um kerntechnische Anlagen verglichen. Bei der Neuauswertung der Daten wird, abweichend von der Studie des BfS, der Vergleich zweier Poissonwahrscheinlichkeiten zur Berechnung des p-Werts angewandt, der auch in der so genannten Michaelisstudie verwendet wurde. Wie in der BfS-Studie wird der einseitige p-Wert bestimmt, also geprüft, ob die Krebsraten erhöht sind, nicht aber, ob sie vom Erwartungswert nach oben oder unten abweichen (zweiseitiger Test). Der einseitige Test ist schärfer; er führt zu halb so hohen p-Werten wie der zweiseitige Test.

Aus den Zahlen für die Einzelstandorte findet sich nun eine signifikante Erhöhung der Krebsrate sowohl um des AKW Isar als auch um Gundremmingen. An beiden Standorten befinden sich Siedewasserreaktoren. Um die anderen drei Standorte, also Grafenrheinfeld (Druckwasserreaktor), Garching (kleiner Forschungsreaktor, 4 MW) und Kahl (Versuchsreaktor, 16 MWel) sind die Krebsraten nicht erhöht.

Zusammengefasst ist die Krebsrate um die 3 AKW-Standorte signifikant um 35% (p=0,0043), um die beiden Standorte von Siedewasserreaktoren gar um 50% erhöht (p=0,0022). Nur weil die Krebsrate um die Forschungs- und Versuchsreaktoren Garching und Kahl um 11% erniedrigt ist, errechnet sich insgesamt keine signifikant erhöhte Krebsrate (RR=1,11, p=0,132). Die auffälligen Befunde um die AKW-Standorte werden im BfS-Bericht nicht erwähnt.

In der folgenden Abbildung sind die relativen Risiken für die einzelnen Standorte und die 90% Vertrauensintervalle aufgetragen. In der Tabelle darunter werden die beobachteten (OBS) und die aufgrund des bayerischen Mittelwerts erwarteten (EXP) Fallzahlen im Untersuchungsgebiet (K) und im Vergleichsgebiet (V) aufgeführt. Das relative Risiko (RR) ist der Quotient aus den standardisierten Inzidenzraten OBS/EXP im Untersuchungsgebiet und im Vergleichsgebiet.

Im BfS Bericht ist auch zu lesen, dass die Kinderkrebsraten auch in der Umgebung von geplanten Kernkraftwerken erhöht seien, also in Gegenden, wo noch gar kein Kernkraftwerk existiert. Die Überprüfung zeigte, dass die Erhöhung nur auf einen von sechs geplanten Standorten zurückzuführen ist, den Standort Rehling, wo die Kinderkrebsrate tatsächlich signifikant um 53% erhöht ist (P=0.007). Um die restlichen 5 Standorte unterscheidet sich die Krebsrate nicht signifikant vom Erwartungswert (P=0.224). Der Standort Rehling befindet sich aber ca. 30 km östlich - und damit in der Abluftfahne – des Kernkraftwerks Gundremmingen.

 

Standort

OBS(K)

EXP(K)

OBS(V)

EXP(V)

RR

p-Wert

Isar

32

23,7

143

153,9

1,45

0,0372

Gundremmingen

33

22,6

263

281,5

1,56

0,0137

Grafenrheinfeld

37

31,1

84

67,0

0,95

0,6367

Garching

15

25,8

30

32,7

0,63

0,9481

Kahl

54

55,7

57

58,6

1,00

0,5466

 

 

 

 

 

 

 

KKW

102

77,5

490

502,4

1,35

0,0043

SWR

65

46,4

406

435,4

1,50

0,0022

andere KTAs

69

81,5

87

91,2

0,89

0,7945

alle Standorte

171

159,0

577

593,6

1,11

0,1324


Erläuterungen:
KKW Kernkraftwerk
SWR Siedewasserreaktor
KTA kerntechnische Anlage
OBS beobachtete Fallzahl
EXP erwartete Fallzahl
K, V Untersuchungsregion, Vergleichsregion
RR relatives Risiko RR
p-Wert einseitiger p-Wert aus den Vergleich zweier Poissonverteilungen

Quelle:
(1) van Santen F, Irl C, Grosche B, Schoetzau A. Untersuchungen zur Häufigkeit kindlicher bösartiger Neubildungen und angeborener Fehlbildungen in der Umgebung bayerischer kerntechnischer Anlagen. Bericht des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) vom November 1995.