Anmerkungen zum SSK-Bewertung der KiKK-Studie

von
Alfred Körblein und Karin Wurzbacher
Umweltinstitut München e.V.

Der Beschluss, eine neue Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (die spätere KiKK-Studie) durchzuführen, wurde im Juni 2001 vom BfS nach einem Treffen in Kassel zwischen BfS, Umweltinstitut München (UIM) und IPPNW gefasst. Vorausgegangen waren Studien von Alfred Körblein, der damals am UIM arbeitete, welche signifikant erhöhte Krebsraten bei Kindern um bayerische Kernkraftwerke ergeben hatten, und erhebliche Beunruhigung in der betroffenen Bevölkerung auslösten. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW startete Anfang 2001 eine Unterschriftenkampagne im Internet mit der Forderung, den Ursachen der erhöhten Krebsraten durch weitere epidemiologische Studien nachzugehen. Wir, Karin Wurzbacher und Alfred Körblein vom Umweltinstitut München, waren in der Folge an der Entwicklung des Studiendesigns und auch mit Sitz im externen Expertengremium vertreten, weshalb wir uns berufen fühlen, zur Bewertung der Ergebnisse der KiKK-Studie durch die Strahlenschutzkommission (SSK) Stellung zu nehmen.

Die Beratungsergebnisse der SSK werden im SSK-Bericht in sieben Punkten zusammengefasst:

  • Die neuen Daten der KiKK-Studie bestätigen die Ergebnisse früherer explorativer Studien eines erhöhten relativen Risikos für Leukämie von Kindern unter 5 Jahren im 5 km-Radius deutscher Kernkraftwerke relativ zum äußeren Bereich des jeweiligen Studiengebietes. In anderen Ländern durchgeführte Studien führten allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen. Es lässt sich damit nicht abschließend bewerten, ob es eine Evidenz für die erhöhte Rate von Leukämie generell in der Umgebung von Kernkraftwerken gibt.
  • Das Design der KiKK-Studie weist hinsichtlich Expositionsbestimmung und Erhebung von Einflussfaktoren zahlreiche methodische Schwächen auf, so dass es vernünftiger gewesen wäre, die Studie in dieser Weise nicht durchzuführen. Trotz dieser Schwächen ist das Design geeignet, eine Abstandsabhängigkeit zu analysieren.
  • Die Evidenz für eine Erhöhung der Krebsrate bei Kindern beschränkt sich auf Gebiete, die maximal 5 km von den Kernkraftwerksstandorten entfernt sind. Es ist daher nicht gerechtfertigt, mit Hilfe attributiver Risiken hypothetische zusätzliche Erkrankungsfälle für größere Abstände zu berechnen.
  • Die Studie ist nicht geeignet, einen Zusammenhang mit der Strahlenexposition durch Kernkraftwerke herzustellen. Alle von der SSK geprüften radioökologischen und risikobezogenen Sachverhalte zeigen, dass durch die Kernkraftwerke bewirkte Expositionen mit ionisierender Strahlung das in der KiKK-Studie beobachtete Ergebnis nicht erklären können. Die durch die Kernkraftwerke verursachte zusätzliche Strahlenexposition ist um deutlich mehr als einen Faktor 1000 geringer als Strahlenexpositionen, die die in der KiKK-Studie berichteten Risiken bewirken könnten.
  • Die natürlichen Strahlenexpositionen im Untersuchungsgebiet und auch ihre Schwankungen sind um mehrere Zehnerpotenzen höher als die durch die Kernkraftwerke verursachten zusätzlichen Strahlenexpositionen. Wenn man unterstellt, dass die geringen, durch die Kernkraftwerke verursachten Strahlenexpositionen für das erhöhte Risiko für Leukämien im Kindesalter verantwortlich sind, müssten nach dem heutigen Kenntnisstand rein rechnerisch aufgrund der natürlichen Strahlenexpositionen Leukämien um mehrere Zehnerpotenzen häufiger auftreten als in Deutschland und andernorts beobachtet.
  • Im Rahmen der KiKK-Studie konnten Risikofaktoren nicht in hinreichendem Maße erhoben werden, deshalb kann die KiKK-Studie auch nicht zur Aufklärung der kausalen Ursachen für die beobachtete Abstandsabhängigkeit der Leukämieraten beitragen.
  • Die Ursache für die beobachtete Erhöhung der Leukämierate bei Kindern in der KiKK-Studie ist nicht klar. Da die Entstehung von Leukämie multifaktoriell ist, ist eine Vielzahl von Einflussfaktoren möglich, die das beobachtete Ergebnis bewirkt haben könnten. Um die vielen widersprüchlichen Befunde in der Literatur und auch das Ergebnis der KiKK-Studie zu verstehen, ist eine weitergehende, interdisziplinäre Erforschung der Ursachen und Mechanismen der Entstehung von Leukämien im Kindesalter notwendig.

Unsere Stellungnahme zur SSK Bewertung der KiKK-Studie kann hier heruntergeladen werden.